05 Apr

Lesung Annika Kemmeter 06.03.2017

Idsteiner Zeitung vom 06.März 2017

Lesung im Bermbacher Gemeindehaus mit Annika Kemmeter

Annika Kemmeter bringt ihre Zuhörer im Bermbacher Gemeindehaus das Öfteren zum Schmunzeln Foto: Stefan Gärth

Von Marion Diefenbach

BERMBACH

Wie immer, wenn Martina Goeres für die Bermbacher Bücherei zu einer dieser lauschigen Veranstaltungen mit Fingerfood zum Abschluss einlädt, war das Bermbacher Gemeindehaus voll besetzt und das Publikum bester Stimmung. Und nachdem ihr Mann Philipp Kemmeter ein selbst komponiertes Begrüßungslied am Keyboard vorgetragen hatte, las diesmal die 1985 in Mainz geborene Annika Kemmeter (32 Jahre) aus ihren Kurzgeschichten und Gedichten zu verschiedensten Themen.

Sie begann mit der Geschichte der Hebamme Josie, die in der Münchner U-Bahn einen Kinderwagen samt Baby mitnimmt in der Annahme, die Mutter habe ihn vergessen oder in der bei Wöchnerinnen nicht seltenen geistigen Verwirrung absichtlich stehen lassen. Mit krimiähnlicher Spannung entwickelt sich die Story „Aussetzer“ über einen ganzen Nachmittag zum Alptraum, als die Ahnung zur Gewissheit wird und sich herausstellt, dass die vermeintliche Wöchnerin nicht die Mutter ist, sondern Josie einem in seine Zeitung vertieften Vater das Kind entführt hat…

Autorin ist aufgeregt

Sie habe Literaturwissenschaft, Psychologie und Französisch studiert und zwei kleine Kinder, hatte Kemmeter zu Anfang kurz erklärt. Die zierliche junge Frau in weißer Bluse, Jeans und Stiefeln wirkt aufgeregt und liest in hohem Tempo. Aber das erhöht – ebenso wie die klare Sprache und nachvollziehbaren Reaktionen – eigentlich nur die Spannung und verleiht auch den anderen Geschichten wie etwa „Heldentat 23“ einen besonderen Kick: Sönke ist mit dem Fahrrad auf der Hallig unterwegs und rettet hoch dramatisch untergehenden Wattwanderern das Leben. Bis sich herausstellt, dass es sich um die heutige Gutenachtgeschichte für die Fans, seine Hühner, handelt, die ohne eine solche schlecht schlafen.

Immer wieder überraschende Wendungen enthält auch „Die Schneeschmelze“, die nach Strukturvorgaben der Autorengruppe „Prosathek“ entstand, deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen, experimentieren und gemeinsame Veröffentlichungen herausgeben. Eine Familienfahrt zur Versöhnung des Vaters mit Frau und zwei Kindern spitzt sich, ausgelöst durch technische Störungen, psychologisch immer mehr zu.

Eine Geliebte, die es nicht gibt

Um samstags nicht putzen und die Oma besuchen zu müssen, hatte Ernst der Vermutung seiner Frau nicht widersprochen, eine Geliebte zu haben, was gar nicht zutraf – aber einige der wenigen bei der Lesung anwesenden Männer offenbar auf bestimmte Ideen brachte, wie in der Pause zu hören war…

Nach einer weiteren Musikeinlage gab’s im zweiten Teil „Tierisches“ zu hören: Auf die Geschichte von Thekla, der nach dem Schlüpfen von 124 Kindern völlig erschöpften Spinnenmutter, folgt eine ebenso originelle wie witzige Reihe kurzer Tiergedichte zu jedem Buchstaben, die von der Kakerlake in der Ritze bis zum reglosen Faultier ebenfalls jede Menge Überraschungen bringen. Amüsiert und schmunzelnd ging das Publikum abschließend zum Plausch bei den leckeren Häppchen über.

 

IZ Spannende Wendungen